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Nurflügler - Mythen und Märchen

Der Traum vom reinen Nurflügler ist so alt, wie die Fliegerei selbst. Er hat auch bei mir dazu geführt, dass ich mich mit Nurflüglern beschäftige. Fast alle meiner Eigenkonstruktionen sind Nurflügler und ich denke, dass dieses Thema mich auch so schnell nicht loslassen wird.

Nurflügler sind "in". Trotz aller Begeisterung für Flugzeuge ohne Leitwerk ärgert es mich, wie angebliche Vorteile von Nurflüglern von den Medien (und teilweise auch von der Fachpresse) häufig dargestellt werden. Es entsteht der Eindruck, wir würden in wenigen Jahren nur noch Nurflügler am Himmel sehen. Daran glaube ich jedoch nicht. Daher halte ich es für angebracht, einigen immer wieder strapaziert Mythen und Märchen über den "Nurflügler, das Flugzeug der Zukunft" zu widersprechen.

Nurflügler haben einen geringeren Luftwiderstand
Leider ist das per se nicht der Fall. Diese Behauptung gehört jedoch zu den am häufigsten angeführten angeblichen Vorteilen eines Nurflüglers. Bei einem Schwanzflugzeug ist ein Leitwerk zur Stabilisierung und Steuerung notwendig, damit die Tragfläche optimal hinsichtlich Auftrieb und Widerstand gestaltet werden kann. Die Leitwerksteile erzeugen natürlich nur Luftwiderstand. Bei einem Nurflügler muss die Tragfläche stabilisierende Elemente selber mitbringen, kann damit nicht optimal gestaltet werden. Eine solche Tragfläche enthält also Elemente, die nicht der Auftriebserzeugung dienen, sondern zur Stabilisierung und Steuerung, und die somit schädlichen Widerstand erzeugen. Man tauscht sozusagen den Vorteil, kein Leitwerk zu brauchen, gegen den Nachteil einer suboptimalen Tragfläche. Und das ist ein schlechter Tausch!
Anders sieht das aus, wenn die Flugstabilität nicht über aerodynamische Maßnahmen erreicht werden muss, sondern mit computergesteuerten Rudern erfolgen kann (wie vermutlich bei der amerikanischen B-2).

Der Rumpf eines herkömmlichen Flugzeuges erzeugt nur Widerstand
Gelegentlich wird sogar behauptet, der Rumpf würde Abtrieb erzeugen. Beides stimmt nicht. Zwar erzeugt ein Rumpf keinen nennenswerten Beitrag zum Gesamtauftrieb des Flugzeugs, jedoch ist er nicht null (je nach Flugzeug und Flugsituation sind es bis zu 5 %) und schon gar nicht Abtrieb. Richtig dagegen ist, dass ein langes Rumpfvorderteil destabilisierend wirkt, bei Normalflugzeugen und auch bei Nurflüglern. Deshalb benötigen Flugzeuge, deren Tragflächen besonders weit hinten am Rumpf angebracht sind, ein größeres Seitenleitwerk. Man sieht das bei vielen russischen Flugzeugtypen, bei denen die Triebwerke hinten am Rumpf sitzen.

Nurflügler fliegen instabiler
Bei Normalflugzeugen arbeitet das stabilisierende Leitwerk am relativ großen Hebelarm und kann daher eine falsche Schwerpunktlage - oder gar eine falsche Konstruktion - kompensieren, ohne dass die Maschine gleich unfliegbar wird. Bei einem Nurflügler muss der Schwerpunkt relativ genau stimmen. Tut er es nicht, kann nur begrenzt mit den Rudern in der Tragfläche ausgeglichen werden, wobei die Ruderverstellungen meist Auswirkungen auf andere Flugeigenschaften haben. In der Erprobungsphase eines Nurflüglers kann das schon einmal spannend werden! Richtig eingestellte und richtig konstruierte Nurflügler fliegen genauso stabil, wie ihre Artgenossen mit Leitwerk. Seltsamerweise kursiert genauso gerne die gegenteilige Behauptung, nämlich: Nurflügler sind besonders sichere Luftfahrzeuge.

Nurflügler sind abkippsicher
Manchmal wird das auch Überziehsicherheit genannt. Verantwortlich dafür ist die Auftriebsverteilung der Tragfläche im Langsamflug. Das hat also nichts mit Nurflügler oder nicht Nurflügler zu tun. Man erreicht eine Überziehsicherheit, wenn ein Strömungsabriss an den Teilen der Tragfläche beginnt, die sich in der Mitte und vor dem Schwerpunkt befinden. Wenn die Strömung im Bereich der Ruder im überzogenen Zustand noch anliegt, ist das Flugzeug sogar noch steuerbar. Nurflügler, mit außen an der Tragfläche angeordneten Höhenruderklappen, sind in der Regel abkippsicher. Rückwärts gepfeilte Nurflügler mit außen angeordneten Ruderklappen für Höhen- und Quersteuerung sind abkippsicher und bleiben im überzogenen Zustand mehr oder weniger steuerbar. Voraussetzung ist allerdings, dass man dafür sorgt, dass die Strömung auch wirklich in der Mitte des Flügels beginnt abzureißen und nicht etwa außen.

Nurflügler haben eine geringere Spiralsturzneigung
Dies ist nicht immer der Fall. Diese Legende stammt vermutlich von Reimar Horten und bezieht sich auf die angebliche Trudel- und Spiralsturz-Sicherheit der Horten-Segler. Sie wurde durch kopflastige Trimmung erreicht, was zu Lasten der Flugleistung ging. Richtig ist: Rückwärts gepfeilte Nurflügler mit außen angeordneten Ruderklappen sind bei genügender Schwerpunktvorlage spiralsturz- und trudelsicher. Warum dies jedoch als Vorteil für Passagierflugzeuge angeführt wird, bleibt im Dunkeln. Eine Spiralsturzneigung ist ein unangenehmes Verhalten beim Kreisen in der Thermik bei Segelflugzeugen. Passagierflugzeuge segeln selten und wenn doch, dann meist geradeaus.

Nurflügler benötigen weniger Treibstoff
Diese Behauptung wird immer im Zusammenhang mit dem angeblich geringerem Luftwiderstand gemacht. Sie stimmt nicht, weil der Luftwiderstand halt nicht geringer ist (siehe oben). Ein Flugzeug könnte eine bessere Treibstoffeffizienz haben, wenn mehr Passagiere oder Fracht mit derselben Menge Treibstoff transportiert werden könnten – wenn also das Flugzeug größer wäre. Dies ist jedoch für herkömmliche Flugzeuge genauso richtig wie für Nurflügler.

Die Zukunft gehört den Nurflüglern, denn die herkömmliche Technologie lässt es nicht mehr zu, noch größer Flugzeuge zu bauen.
Wieso denn nicht? Dieses Argument habe ich bisher nur von Leuten gehört, die in Projekten der Nurflügelentwicklung arbeiten. Klar, dass sie Werbung für ihr Thema machen wollen. Eine sachliche Begründung habe ich jedoch noch nie gehört. Zum Vergleich: Die 1947 leider nur kurz geflogenen Hughes H4 "Spruce Goose" war ein Wasserflugzeug aus Holz (!) und war mit 97,5 m Spannweite größer als der A380 (79,8 m Spannweite).