Entwurf von Horten-Seglern

Ein Horten

Einen Horten zu entwerfen, zu bauen und erfolgreich zum Fliegen zu bringen erfordert keine Hexerei. Allerdings kann ich kein einfaches knackiges Rezept geben, wie das z.B. bei einem Brett der Fall ist. Bei einem Horten müssen Streckung, Pfeilung, Schränkung, Zuspitzung, Profilierung und Schwerpunktlage aufeinander abgestimmt sein. Ziel ist es, eine glockenförmige Auftriebsverteilung zu erzeugen, die vertikale Steuerflächen (Seitenflosse(n), Winglets usw.) überflüssig macht - so jedenfalls die Theorie.

Generell kann man Horten mit 2 verschiedenen Methoden entwerfen:
Entweder man hält sich an die Faustregeln, die Robert Schweissgut im Buch "Faszination Nurflügel" geschrieben hat
oder man rechnet sich die Auftriebsverteilung mit einer geeigneten Software selbst zurecht.

Einen anderen Weg gibt es meines Erachtens nicht. Ich kann nur davor warnen, den Schränkungsverlauf "Pi mal Daumen" festzulegen. Als abschreckendes Beispiel, wohin das führt, kann man mein Codo III dienen.

Wer vorhat, einen Horten zu bauen, macht das vorwiegend aus optischen Gründen, denn die Flugleistungen sind eher mäßig. Es sieht halt schön am Himmel aus. Daher wird man bereits einen Grundriss im Kopf haben, den es jetzt gilt in flugfähiges Etwas umzusetzen. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch sinnvoll. Man fährt besser, wenn man keine Extreme konstruiert.

Streckung
Hohe Streckungen sehen zwar klasse aus, machen aber Probleme im Handling. Hoch gestreckte Flügel gehen schlecht um die Ecke. Um das Problem in den Griff zu bekommen, wird man Widerstandsseitenruder in die Flächenende einbauen müssen. Auch die originalen Horten sind damit ausgerüstet gewesen. Besser ist eine nicht zu hohe Streckung. Meiner Einschätzung nach beginnen oberhalb einer Streckung von 12 diese Probleme.
Aber auch kleine Streckungen sind ungünstig. Wenn der Horten anfängt wie ein Delta auszusehen, kann man auch gleich ein Delta entwerfen. Ich empfehle für einen Segler: Streckung um die 10.

Zuspitzung
Die originalen Horten-Segler hatten eine recht hohe Zuspitzung von 8. Die Modelle von Robert Schweissgut aus den 80ern haben dagegen niedrige Zuspitzungen, bis runter zu 3,5. Das dürfte so etwa den Bereich abdecken, der sinnvoll ist. Empfehlung: Je kleiner die Streckung desto größer die Zuspitzung.

Pfeilung
Lieber zuviel als zuwenig. Pfeilung kostet Leistung, aber bei zu wenig Pfeilung geht die Steuerbarkeit verloren. Je kleiner die Streckung, desto mehr Pfeilung. Bei hohen Streckungen nicht unter 20° an der Vorderkante gehen. Bei kleinen Streckungen können schon mal 40° sinnvoll sein. Wölbklappen wirken nur neutral oder sogar aufrichtend, wenn genügend Pfeilung vorhanden ist (siehe Condor).

Schränkung
Sinnvoll sind zwischen 7° und 20°, je nach gewünschter Auslegung der Grundgeschwindigkeit (genauer: des Auslegungs-Ca's). Je kleiner die Schränkung, desto zügiger gleitet der Horten bei Neutralstellung der Ruder. Werden Wölbklappen vorgesehen, kann eine schnellere Auslegung gewählt werden. Wollen wir dann langsamer fliegen, schlagen wir die Wölbklappe aus und vergrößern damit die effektive Schränkung. Der für die glockenförmige Auftriebsverteilung notwendige Schränkungsverlauf muss meist mit geeigneter Software berechnet werden. Einfluss auf diese Berechnung hat auch der Profilstrak von der Wurzel zum Flügelende.

Profilstrak
Die originalen Horten hatten in der Wurzel ein stabiles S-Schlag-Profil mit hoher Wölbung und einen gleichmäßigen Strak auf eine symmetrisches Profil am Flächenende. Robert Schweissgut strakt ein instabiles Profil von der Wurzel auf ein symmetrisches am Ende, und erhofft sich bessere Leistungen - geht auch. Die notwendige aerodynamische Längsstabilität übernimmt die Schränkung. Das Das Nurflügel-Team entwickelte mit einer speziellen Software spezielle Profile und einen speziellen Strak. Ich habe das neutrale MH 60 im Condor durchgehend ungestrakt verwendet. Ist es also egal, was man macht? Nicht ganz! Ein Profilstrak ist nichts weiter als eine aerodynamische Schränkung. Wir müssen nur dafür sorgen, dass diese Schränkung zusammen mit der geometrischen Schränkung (Verwindung) unsere gewünschte Glocke der Auftriebsverteilung ergibt. Wer jetzt meint, dass ein anderes Profil an der Wurzel als am Flächenende Vorteile bringt, möge das so machen. Meine Empfehlung: Verwende durchgehend ein bewährtes, halbwegs neutrales, halbwegs re-zahl-günstiges Profil, wie es auch für gepfeilte Nurflügler verwendet wird, und rechne die für die Glocke notwendige Schränkung aus.

Schwerpunkt
Die Methode der Schwerpunktermittlung, die Robert Schweissgut in "Faszination Nurflügel" beschreibt, ergibt eine kopflastige Auslegung. Das passt gut zu seiner Empfehlung, eine (Zitat) "überglockige" Auftriebsverteilung zu verwenden. Kopflastige Auslegung eines mit richtiger glockenförmigen Auftriebsverteilung ausgestatteten Horten, ergibt genau diese "überglockige" Verteilung. Deshalb flog mein erster (Horten) auch auf Anhieb problemlos. Auch die originalen Horten waren kopflastig ausgewogen, und hatten dadurch ihre angenehmen Flugeigenschaften. Wurden sie exakt ausgewogen, verloren sie die immer wieder so gelobte Flugsicherheit und schmierten schon mal ab.
Üblicherweise berechnet heute eine Software den Schwerpunkt; oder sie will ihn vorgegeben haben und berechnet die sich daraus ergebene Auftriebsverteilung. Empfehlung: Wenn wir die richtige Auftriebsverteilung und den Schwerpunkt ermittelt haben, verschieben wir ihn so lange nach vorne, bis wir Roberts schöne überglockige Verteilung auf dem Bildschirm sehen. Diesen Schwerpunkt nehmen wir für unsere ersten Flüge.