Auch so'n Schiffsmodell (1977 - 2023+)

Statt des Lotsenbootes hatte ich bereits als 12-jähriger ein anderes Modell angefangen und das Vorhaben nach einiger Zeit auch erfolgreich zu Ende gebracht. Es begann als sowjetisches Flußkanonenboot und endete nach Umbau als ferngesteuerte Motorjacht. Heute, nach mehr als 45 Jahren, fährt sie noch, beziehungsweise: Sie wird ab und zu wieder gefahren. Von der ursprünglichen Version als Flußkanonenboot habe ich keine Bilder. Auf dem Rücktitel der Zeitschrift "modellbau heute", 1/1986 sind jedoch einiger solcher Modelle abgebildet, allerdings in einem größeren Maßstab. Mein Boot sah anfangs ganz ähnlich aus.

Die Jungfernfahrt, noch ohne Fernsteuerung, fand vermutlich um das Jahr 1977 auf dem Schwanenteich in Rostock statt. Anwesende Zeugin war meine Mutter. Die folgenden Jahre war ich beschäftigt, diverse Arten von elektronischen Fernsteuerungen zu entwickeln und auszuprobieren, angefangen von modulierten Licht, über Kabelsteuerung bis zu galvanischen Versuchen. Meine Eltern verweigerten mir standhaft eine käufliche Funkfernsteuerung als Geschenk. Für mich waren die damaligen Funkfernsteuerungen einfach unerschwinglich. Letztendlich kam ich zur Erkenntnis, dass nur der Eigenbau einer solchen zu einem brauchbaren Erfolg führen würde. Eigenbau-Funkanlagen mussten in der DDR von der Post genehmigt und abgenommen werden. Es wurde ein mühsamer Weg. 1983, unmittelbar vor meiner Dienstzeit in der NVA, ließ ich den fertigen 27-Mhz-Sender überprüfen - erfolgreich. Nach einigen Wochen bei der Armee schrieben mir meine Eltern, dass das Genehmigungsschreiben eingetroffen ist. Beim Militär gab es hin und wieder Freizeit, die ich für Entwicklung und Bau der Elektronik im Boot nutzte. Am 25.8.1985 am Bootsanleger am Achterwasser in Neppermin/Usedom fuhr das Boot, damals bereits mit GFK-Rumpf und zur Motorjacht umgebaut, funkferngesteuert mit einer Tip-Tip-Anlage bis an die Sichtgrenze auf das Wasser hinaus. Ich hatte es geschafft!

Bereits in den Herbstferien 1981 wurde aus dem Kriegsschiff die heutige Motorjacht. Die jetzt große Öffnung im Deck unter der Kabine ergab eine bessere Zugänglichkeit zu den experimentellen Einbauten im Rumpf. Obwohl bis dahin relativ wenig im Wasser, lösten sich die mit dem Alleskleber Duosan verklebten Sperrholzwände vom Spant-Gerüst. Radikale Abhilfe schaffte ich 1983 dadurch, dass ich den Rumpf mit Harz (Hobbyplast) und Glasmatten abformte. Den ursprünglichen Rumpf konnte ich nur in Einzelteilen aus der so entstandenen GFK-Hülle entfernen. Das Deck wurde auf einer Glasplatte laminiert.

Nach noch einigen Verbesserungen und Optimierungen lagerte das Boot lange Jahre in seiner Transportkiste. Pfingsten 1993 hatte ich die Eigenbau-Funksteuerung durch eine 40-Mhz-Graupner-Anlage ausgetauscht, die ich später auch für mein erstes Flugmodell verwenden konnte. Die Probefahrt in den ehemaligen Steinbrüchen von Mühlheim am Main verlief zufriedenstellend. Leider verschwand das Boot wieder für lange Zeit in der Kiste. 2018 dann ein erneuter Schritt. Beruflich bedingt hatte ich plötzlich den Lippe-See bei Paderborn in der Nähe meines Zweitwohnsitzes. Bis dahin immer noch mit dem DDR-Piko-Spielzeugmotor angetrieben, bekam die Jacht einen 400er-7,2V-Motor verpasst und wurde mit einer 2.4-GHz-Anlage gesteuert. Freundlicherweise durfte ich im Vereinsgewässer des MSC-Heusenstamm Probefahrten machen. Mit diesem Motor mutierte das Boot vom gemütlichen Verdränger zu einem rasanten Rennboot. Mit einem 400er-12V-Motor wurde der Antrieb beherrschbar. Es folgten einige schöne Fahrten auf dem Lippe-See und in einem Springbrunnen im Schlosspark von Schloss-Neuhaus. 2020 habe ich ein 1:2,3 Getriebe zwischen Motor und Schraubenwelle gesetzt und konnte Ende Juli die erste Testfahrt im Alten Hafenbecken in Offenbach machen. Die Gasannahme ist mit dieser Antriebskonfiguration deutlich angenehmer.

Leider ist es sehr schwierig, Gewässer zu finden, die öffentlich zugänglich und für den Bootsbetrieb geeignet sind. Ab und zu pflügt die alte Lady jedoch auch heute noch durch ein Gewässer.


Flußkanonenboote, vermutlich doppelt so groß

Zustand seit 1981. Bild von 2018.

Antriebsvarianten im Laufe der Zeit

2018 im Schlosspark von Schloss-Neuhaus

2020 mit Getriebemotor und 2-zelligem Lipoly

2020 im alten Hafen Offenbach


Nicht mehr verwendet: Eigenbau-Fernsteueranlage. Akkufach, Fahrtregler, Empfänger, Servo, Sender (vlnr).

Noch mehr Off-topic

Im Zusammenhang der Erstellung dieser Seite ging ich per Google auf die Suche nach den Vorbild des Flußkanonenbootes. Mir war klar, dass der Plan aus der Zeitschrift "Modellbau und Basteln" von 7/1959 nur eine sehr vage Verbindung zu real existierenden Booten haben konnte. Zu meiner Überraschung stieß ich auf recht ausführliche Informationen über das Projekt 1124 des sowjetischen Militärs (Achtung, es geht nicht um das gleichnamige Projekt des U-Bootabwehrschiff der Grischa-Klasse, sondern um Flußkanonenboote der 30er und 40er Jahre.). Bei Interesse einfach mal googeln ("projekt 1124 armored boots").

Es heißt, dass die stark gepanzerten, stark bewaffneten und auch stark motorisierten Boote sehr erfolgreich waren - jedenfalls wenn man das Anrichten von möglichst viel Schaden als Erfolg bezeichnen möchte. Eins jedoch weiß ich: Wer den Rumpf des Modells konstruiert hatte, verstand etwas von schnellen Booten. Heute, mit dem starken Antrieb, läuft das Boot auch in voller Gleitfahrt stabil und gut steuerbar.


Quelle für Originalbild: http://wio.ru/fleet/ww2armorb.htm